Die Hobbys zum Beruf gemacht.

Samnaun-Kenner Arno Jäger

Arno Jäger im Talmuseum Samnaun.
Er kennt Samnaun wie seine Westentasche. Zur grossen Freude von Einheimischen und Gästen gibt er sein Wissen gerne und auf leidenschaftliche Art und Weise weiter. So fühlt man sich im authentischen Talmuseum, welches er leitet, schlagartig um viele Jahre zurückversetzt. Mit seinen zahlreichen und wertvollen Engagements für die Gemeindeverwaltung, die Kirchgemeinde, den Theaterverein und noch vieles mehr hat er in den letzten Jahrzehnten das Tal mitgeprägt. Arno Jäger nimmt uns mit auf eine Reise durch die Geschichte und das heutige Samnauntal.

Mit einem riesigen Skigebiet oder attraktiven Zollfrei-Einkaufsmöglichkeiten weiss das gastfreundliche Samnaun zu begeistern. Fernab des grossen und modernen Trubels besticht das Dorf ganz im Osten der Schweiz aber auch mit einer einzigartigen Kulturgeschichte. Erste Anlaufstelle im Tal, um mehr darüber zu erfahren, ist die Chasa Retica. Das über 450 Jahre alte Gebäude in Samnaun-Plan beherbergt heute das Talmuseum. Hin und wieder grüsst dessen Leiter abgestützt auf der doppelschlägigen Tür – oben offen liess es sich früher bequem mit Nachbarn plaudern, während die unten geschlossene Hälfte eine Barriere für Tiere bot. Mit einem breiten Lächeln heisst Arno Jäger interessierte Besucher*innen herzlich willkommen. Doch nicht immer wurden die Menschen im Tal derart freundlich empfangen.

Arno Jäger aus Samnaun.

Lange Winter und harte Zeiten

Vor etwa 1000 Jahren suchten Bauersfamilien aus dem Unterengadin nach neuen Weideflächen. Fündig wurden sie im Samnauntal, wovon noch heute die rätoromanischen Flurnamen zeugen. Es schien ein landwirtschaftlich ideales Gebiet gewesen zu sein. Das spezielle Klima erlaubte den Anbau von Getreide bis auf 1800 m ü. M., was im Engadin nur bis 1450 m möglich war. Doch was heute ein wahrer Segen für Schneesportbegeistere ist, war damals ein ziemlicher Fluch: die rund halbjährigen Winter. Sie schnitten das Tal von der Umwelt ab und sorgten für ein armes, entbehrungsreiches Leben.

Die Samnauner*innen machten sich vor 200 bis 400 Jahren im Tirol auf Heiratssuche – ihre einzige Überlebenschance und auch Ursprung ihres heutigen Dialekts.

Arno Jäger

Hinzu kamen ab 1529 mit Beginn der hiesigen Reformation verschiedene Streitigkeiten, denn Samnaun blieb, wie auch das Tirol und im Gegensatz zum Engadin, grösstenteils katholisch. 1621, während der Bündner Wirren, fiel Erzherzog Leopold mit 8000 Mann brandschatzend in Graubünden ein. Auch Samnaun erreichten 1621 und 1622 Bataillone, die brandschatzten und einen Grossteil des Viehbestandes hinwegtrieben. Pest und Cholera taten später ihr Übriges, und für ihren Fortbestand entwickelte die Samnauner Bevölkerung eine starke Bindung zu Österreich inklusive Handelsbeziehungen. Dies führte über die Zeit zum Samnauner Dialekt, der das Romanische ablöste. Eine eigene Gemeinde wurde Samnaun erst im Jahr 1806, davor gehörte es zum benachbarten Ramosch. Dies alles sind nur grobe Eckpunkte der spannenden Talgeschichte, die Arno Jäger zu erzählen weiss.

Arno Jäger ist mit Samnaun tief verbunden.

Verbundenheit zum Dorf

Arnos Geschichte begann in Samnaun. Sie führte ihn weiter zu einer Lehre als Bäcker-Konditor in Sent und danach in die Küche des Hotels Rezia, der heutigen Pensiun Aldier. Mit 20 Jahren kehrte er nach Samnaun zurück und eröffnete sein eigenes Geschäft, ein Café mit Laden, das es inzwischen nicht mehr gibt. Nebenbei prägte er, mit nur kurzzeitigem Unterbruch, während 21 Jahren die Politik und das Leben im Tal als Gemeindevorstand mit Fokus auf Bau- und Umweltthemen. Mit Stolz blickt er dabei auf die Erfolge zurück, die er durch Projektmitarbeit oder -leitung erreichte. Dazu gehören etwa der Ausbau der Wasserversorgung auf das heutige Niveau, die Zentralisierung inklusive Neubau des Forst-/Werkhofs oder der Bau des Seniorencenters Chalamandrin. Auch heute noch ist er in der Kirchgemeinde für die Liegenschaftsverwaltung verantwortlich.

Für mich ist es wie eine Symbiose: Samnaun mit seiner Landschaft und die beinahe familiäre Beziehung mit anderen Leuten im Dorf gibt mir sehr viel – da gebe ich gerne etwas zurück.

Arno Jäger

Arno Jäger auf einem Spaziergang durch die Samnauner Natur.

Klein, aber oho

Wer sich von Samnaun-Compatsch aus auf den barrierefreien Kulturweg begibt, wird auf der Wanderung unterhaltsam begleitet. Zu entdecken gibt es etwa Informationen zum Ackerbau sowie zur Geschichte Samnauns oder eine Fotoausstellung Samnauner Fotografen. Ein besonderes Schmuckstück sind die kleinen Modellhäuser auf einer Wiese am Wegrand. Sie wurden von Arno in minutiöser Kleinarbeit gebaut und stellen detailgetreue Nachbildungen der ersten Gasthäuser im Samnauntal dar. Als Präsident der Kulturkommission hat er viel in den Kulturweg investiert und leitet vor diesem Hintergrund auch das Talmuseum. Wöchentlich bietet er Führungen an und kocht hier sogar im Anschluss wie zu Grossmutters Zeiten. Das Tal den Leuten näherzubringen ist sein Ziel, und er setzt alles daran, sie für ein authentisches Erlebnis in eine andere Zeit zurückzuversetzen.

Arno Jäger ist im Sommer am liebsten bei seinen Bienenvölkern.

Viele fleissige Helferlein

Während der Sommermonate ist Arno fast täglich an seinem Lieblingsort im Tal anzutreffen. Bei Prasüras, unmittelbar an der österreichischen Grenze gelegen, herrscht unter seiner Kontrolle emsiges Treiben. Tausende von Bienen sammeln hier fleissig Nektar von den umliegenden Bergwiesen. Rund 20 Völker leben in den Bienenstöcken, die sich um die beiden von ihm selbst erbauten Holzhäuschen auf der Wiese aneinanderreihen. Je nach Wetter lassen sich pro Volk und Jahr 10 bis 20 kg Honig gewinnen. Im Spätsommer kann sich Arno an die Ernte machen. Den feinen Honig gibt es in ausgewählten Geschäften Samnauns zu kaufen. Dieser ist offensichtlich sehr gefragt, denn sogar Bären verschafften sich vor einigen Jahren unerlaubt Zugang zu seinem kostbaren Gut.

Nicht nur Zweibeiner finden Gefallen an meinem Honig. 2012 haben die Bärenbrüder M13 und M14 zwei Mal meine Bienenstöcke geplündert und dabei keine Rücksicht auf die geschlossene Tür genommen.

Arno Jäger

Arno Jäger auf der Theaterbühne.

Engagement im und neben dem Scheinwerferlicht

Während im Sommer die Bienen seine Aufmerksamkeit erhalten, widmet er sich im Winter einer weiteren Herzensangelegenheit: der Theaterbühne. Die Theatergruppe Samnaun führt jeweils von Weihnachten bis Ostern wöchentlich ein Stück auf. Oftmals steht er selbst auf der Bühne, manchmal überlässt er diese aber auch den Jungen und übernimmt mit Regie und Bühnenbau andere Aufgaben. Seine Kreativität bringt er auch zu Hause in seiner Werkstatt zum Ausdruck. Hier fertigt er mit Vorliebe Intarsien an. Dabei werden Holzplättchen auf einer Trägerplatte zu einem Kunstwerk zusammengefügt. Oftmals dient ihm Samnaun als Motivvorlage, womit auch hier seine Verbundenheit durchschimmert. Arno ist dankbar, dass er in Samnaun seine Hobbys zum Beruf machen konnte, insbesondere dank dessen Geschichte. Eine Geschichte, in die er durch sein grosses Engagement sicherlich auch Einzug finden wird.

Arno Jäger in seiner Werkstatt.

Text: Roger Kreienbühl

Bilder: Emmy Kohler (Theaterszene) und Michelle Zbinden

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